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samedi 19 octobre 2013

Stefan Kießling entschuldigt sich für Phantomtor

Ein Loch im Tornetz ermöglicht das zweite Phantomtor der Bundesliga. Schütze Kießling steht am Moralpranger. Schiedsrichter Brych verantwortet eine Fehlerkette. Experten fordern ein zweites Spiel. Von
Stefan Kießling und das umstrittene Phantomtor
Foto: Bongarts/Getty Images
Dieses Phantomtor beschäftigt die Bundesliga. In der Partie Hoffenheim gegen Leverkusen köpfte Stefan Kießling (nicht im Bild) nach 70 Minuten einen Eckball von Gonzalo Castro ...
Schon jetzt ist klar, dass dieses Freitagabendspiel in die Geschichte eingehen wird. In der Partie zwischen zwischen 1899 Hoffenheim und Bayer Leverkusen (1:2) fiel das zweite Phantomtor der Fußball-Bundesliga-Historie. Erzielt von Stefan Kießling, ermöglicht durch ein Loch im Netz. Nun diskutiert die Branche, wie mit diesem Fall umzugehen ist.
So fordert der frühere Weltschiedsrichter Markus Merk ein Wiederholungsspiel. "Ich bin kein Justiziar. Es gibt die Tatsachenentscheidung im Fußball. Ich bin aber auch Fußballer mit Leib und Seele. Ich war und bin immer für Gerechtigkeit im Fußball. Für mich kann es nur eine Entscheidung geben: Wiederholungsspiel", sagte Merk bei Sky.
Kießling hatte den Ball in der 70. Minute ans Außennetz geköpft. Durch ein Loch war das Spielgerät ins Tor gefallen. Während sich der Leverkusener Angreifer über seinen Fehlversuch ärgerte, begannen seine Mitspieler zu jubeln. Verwundert stimmte Kießling bald mit ein. Schiedsrichter Felix Brych entschied auf Tor. Erst wenige Minuten später, als Hoffenheimer Ersatzspieler den Referee auf das Loch im Netz hingewiesen hatten, wurde Brych bewusst, dass der Ball nicht im Tor war. Brych blieb jedoch bei seiner Tatsachenentscheidung.

Durch diese Stelle im Netz flog der Kopfball von Stefan Kießling ins Hoffenheimer Tor. Die Aufnahme wurde nach dem Spiel gemacht, offenbar wurde die Stelle verknotet
Foto: picture alliance / GES-Sportfoto Durch diese Stelle im Netz flog der Kopfball von Stefan Kießling ins Hoffenheimer Tor. Die Aufnahme wurde nach dem Spiel gemacht, offenbar wurde die Stelle verknotet

Kießling entschuldigt sich via Facebook

Es war streng genommen der zweite Fehler des Schiedsrichtergespanns. Es ist die Aufgabe der Unparteiischen, vor dem Anpfiff die Tornetze auf Fehler zu überprüfen. Kießling selbst sagte später, er habe es nicht richtig gesehen und sprach von einer "Scheißsituation für mich".
Dies ist nicht übertrieben. In den sozialen Netzwerken ging bereits kurz nach der Situation ein Shitstorm über den Leverkusener Angreifer nieder. Auf seiner Facebook-Seite schrieb er in der Nacht: "Ich kann die Reaktionen von vielen von Euch hundertprozentig verstehen und bin selbst ganz aufgewühlt. Nach den Wiederholungen im Fernsehen sehe ich es eindeutig so: Es war kein reguläres Tor. Im Spiel habe ich nach meinem Kopfball und dem Drehen des Kopfes nicht genau gesehen, ob der Ball korrekt ins Tor gegangen ist oder nicht. Irgendwie lag der Ball im Tor. Genau das habe ich auch dem Schiedsrichter gesagt. Es tut mir leid für alle Sportfans und den Verlauf des Spiels. So zu gewinnen ist natürlich nicht schön. Fairness ist wichtig für den Sport, bei uns im Verein und für mich ganz persönlich."
Merk nahm alle Beteiligten trotz ihrer Fehler und vielleicht auch moralischer Verfehlungen in Schutz. "Man kann keinem der Beteiligten einen Vorwurf machen, weder dem Schiedsrichter noch Stefan Kießling. Es ist eine absolut unglückliche Situation", sagte er und forderte technische Hilfsmittel für Schiedsrichter: "Ich habe 2007 schon gesagt: Manchmal wären technische Hilfsmittel im Extremfall äußerst vorteilhaft und würden alle Beteiligten aus der Schusslinie nehmen."
Tatsächlich ist der Videobeweis mittlerweile längst Realität, nur einer darf davon keinen Gebrauch machen: der Schiedsrichter. Dank Fernsehen und Smartphones wusste in Hoffenheim binnen Minuten jeder, dass der Ball nicht im Tor war. Offenbar bald auch Brych, der Hoffenheim wenig später einen umstrittenen Elfmeter zusprach. Was dafür spricht, das die TV-Bilder längst Einfluss auf das Spiel nehmen können, auch wenn sie es offiziell nicht dürfen. Leverkusens Sportdirektor Rudi Völler monierte nach Abpfiff, Brych habe alles dafür getan, damit das Spiel noch 2:2 ausgehe.

1994 gab es ein Wiederholungsspiel

Genau wie Völler nahm unterdessen auch Thomas Helmer den Phantom-Torschützen in Schutz. Kießling ist quasi Helmers Nachfolger. Der Bayern-Verteidiger hatte am 23. April 1994 beim Spiel gegen den 1. FC Nürnberg (2:1) den Ball mit der Hacke am Tor vorbeigelegt. Schiedsrichter Hans-Joachim Osmers entschied nach Befragen des Linienrichters Jörg Jablonski auf Tor für die Münchner. Nürnberg legte erfolgreich Einspruch ein, das Wiederholungsspiel gewannen die Bayern 5:0. Ein Präzedenzfall, den die Hoffenheimer nun als Trumpf für ihren Protest gegen die Spielwertung wähnen.
"Es geht um Sekunden, und du weißt als Schütze selbst nicht so genau, ob er drin war", sagte Helmer bei Sport1 über den Freitagabend: "Kießling wird auch überlegt haben: Was mach ich jetzt, was ist passiert? Und diese Sekunden entscheiden darüber, bist du jetzt der liebe Junge oder der böse Bube." Was passiert ist, sei "nicht nur der Fehler des Spielers, sondern auch der Fehler des Schiedsrichters. Es ist keine schöne Geschichte, ich bin sehr gespannt, was jetzt passiert". Auch für Helmer stehe fest: "Das Spiel muss wiederholt werden, keine Frage."

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