"Wetten, dass..?" mutet an wie eine Volksmusik-Sonderausgabe in Tracht, besinnt sich dann aber auf alte Stärken. Einen kleinen Zungenskandal gibt es dennoch. Doch an dem ist nicht Miley Cyrus schuld - von der Markus Lanz trotzdem "baff" ist.
Ganz am Ende sitzen nur noch Florian Silbereisen, Diana Amft und Armin Rohde auf dem "Wetten, dass..?"-Sofa. Amft und Rhode tragen Dirndl und Lederhose, allerdings hat sie die Lederhose an und er das Dirndl, weil das total lustig ist, wenn Mann und Frau Kleider tauschen. Findet man zumindest beim ZDF. Jedenfalls sitzen da nun der Volksmusik-Moderator und die beiden Trachten-Menschen und alle anderen sind schon weg (oder wechseln gerade Reifen). Und somit ist irgendwie die ganze Essenz der Sendung auf dem Sofa vereint. Volksmusik, Tracht, ein mittelschlechter Witz. Und zum gleichen Zeitpunkt sitzt irgendwo in einem Flugzeug Megastar Céline Dion, die die Show schon früher verlassen hat. Und bestimmt erzählt sie den Menschen, mit denen sie da fliegt, dass die Menschen in Deutschland wirklich alle Tracht tragen, jodeln und sehr gerne übers Deutsch-Sprechen sprechen.
Denn die zweite Ausgabe der ZDF-Unterhaltungsshow nach der Sommerpause steht inoffiziell offenbar unter einem zünftigen Motto - zumindest lassen die Wetten, die Herkunft der Kandidaten und auch die Auftritte der Stargäste diesen Eindruck mehr als zu. Dabei ist man in Halle an der Saale zu Gast und das auch noch am Jahrestag des Mauerfalls. Irgendwie bringt man sogar eine Würdigung dieser Umstände unter: Die Stadtwette bedient sich des ein oder anderen DDR-Klischees (es geht um Hans-Dietrich Genschers gelben Pullunder und eine Trabi-Fahrt), präsentiert wird sie von Schauspielerin Stephanie Stumph, die "zu dem Thema" aber nichts sagen kann, weil sie damals zu klein gewesen sei.
Insgesamt ist dieses "Wetten, dass..?" eines ohne allzu große Peinlichkeiten oder Fremdschäm-Momente, weil Markus Lanz weniger Witze (oder die Versuche dazu) macht, was mehr Spaß für den Zuschauer bedeutet. Auch geht man bei der Wahl der Wetten dieses Mal auf Nummer sicher: Es gibt keine Experimente, keine unverständliche Außenwette, sondern was Handfestes mit Fußball, Baggern, Kettensägen und einem Kandidaten, der schon vier Mal da war und wieder etwas aufbläst, was schwer aufzublasen ist.
Die Erneuerung der erneuerten Sendung, bei der man viele Neuerungen wieder rückgängig macht, scheint sinnvoll, man vermisst auch dieses Mal weder Cindy aus Marzahn, noch die Lanz-Challenge oder das Extra-Sofa für die Kandidaten. Lediglich die Einspielfilme, mit denen sie vorgestellt werden, muten nach wie vor befremdlich an - wie ein Versuch, sie ähnlich dynamisch-bedrohlich wie die Herausforderer bei "Schlag den Raab" vorzustellen. Obwohl sie dabei eher wie Kandidaten für "Bauer sucht Frau" oder "Schwiegertochter gesucht" wirken.
Irgendwas auf Deutsch?
Als prominente Gäste begrüßt Lanz an diesem Abend zunächst Fußballer Lukas Podolski, der Pate des späteren Wettkönigs sein darf. Johannes Witzenrath will tatsächlich alle Torschützen und Ergebnisse der Bundesligaspiele der vergangenen zehn Spielzeiten auswendig wissen - was zu stimmen scheint und Publikum wie Poldi beeindruckt. Von dem hört man danach nicht mehr viel, umso mehr dafür von Céline Dion, die nach ihrem Auftritt sogar einige Zeit auf dem Sofa sitzen bleibt.
Hier fragt Lanz es zum ersten Mal: "Sprichst du deutsch?" Tut sie nicht, aber irgendwas muss sie doch auf Deutsch können. Lanz bleibt dran, hakt nach - ha, da hat er es: Sie kann etwas Deutsches singen. Das muss sie dann natürlich auch tun, und nein, sprechen kann sie es nicht, wirklich nicht. Die andere Sache, über die man mit Céline Dion reden kann, grast Lanz natürlich auch noch ab: Titanic, "My Heart Will Go On", das weiß man ja auch alles noch gar nicht.
Irgendwann in dieser Unterhaltung rutscht ihm dann doch ein Witz raus: "Ich habe ja nie verstanden, warum man einen Film guckt, wenn man das Ende schon kennt." Aber irgendwie erkennt das keiner als Witzversuch, also zählt es vielleicht gar nicht als schlechter Witz. Außerdem verzichtet Lanz später bei der Baggerwette auf alle "anbaggern"-Kalauer, das mag man ihm hoch anrechnen.
Und dann geht es los mit dem Trachtenvolksmusik-Programm: Zwei Kinder in Tracht, die in ihrer Freizeit volkstümliche Musik machen und Pony reiten, wollen Lieder des Volksmusik-Sängers Andreas Gabalier nur am Tastengeräusch der Ziehharmonika erkennen. Die Kulisse: eine Mega-Ziehharmonika, auf der Dion Tasten drücken soll. Gabalier darf auch mitmachen und genießt seinen "Wetten, dass..?"-Auftritt, den er ohne die Trachten-Kinder so schnell wohl nicht gehabt hätte, in vollen Zügen.
Ein jodelnder Megastar in Ziehharmonika-Kulisse
"Volksmusik find ich super", verkündet da Céline Dion, und klar, hier liegt die Frage, ob sie denn jodeln könne, auf der Hand. Also fragt Lanz das, also jodelt Céline Dion. Und da hat man mal wieder einen dieser charmant-absurden "Wetten, dass..?"-Momente: ein jodelnder Megastar in einer bunten Alpen-Ziehharmonika-Kulisse mit zwei Kindern in Lederhose und Dirndl. Und man hat auch nicht das Gefühl, dass die sehr gut gelaunte Dion danach darüber lästert.
Nur wundern wird sie sich vielleicht ein bisschen, weil es noch weitergeht, mit dem Jodeln, den Trachten, der Volksmusik - und sie doch eigentlich bei "Wetten, dass..?" und nicht dem Herbstfest der Volksmusik eingeladen ist. Doch da kommen die Schauspieler Diana Amft und Armin Rohde, zunächst noch geschlechterrichtig in Dirndl und Lederhose gekleidet, um Werbung für ihre "Im Weißen Rössl"-Parodie zu machen. Natürlich fragt Lanz Rohde ob der jodeln könne, der jodelt, und das sehr ausführlich.
Sting muss nicht jodeln, natürlich wird er aber gefragt, ob er nicht zufällig deutsch spreche? Nein, tut er nicht, aber er kann auf Deutsch singen, auch er muss es vorführen, darf dann aber gehen. Dafür kommt Florian Silbereisen, der wiederum nicht gefragt wird, ob er deutsch spricht, dafür aber, ob er jodeln kann. Kann er ein bisschen, will es aber nicht zeigen, sagt dafür aber, dass Volksmusik Spaß macht, auch wenn er an diesem Abend der Mensch ist, der am meisten mit Volksmusik zu tun hat, aber am wenigsten danach aussieht.
Uncool ist das alles, mag man finden. Einer, der sich für all das wirklich zu cool ist, ist wohl Jungschauspieler Elyas M'Barek. Die Hände in den Hosentaschen festgetackert, zeigt er ganz deutlich, dass er hier ist, um Werbung für seinen Film zu machen - nichts sonst. Doch irgendwie bringt Lanz auch ihn unter den alpenländischen Hut der Sendung und dazu, ein bisschen Österreichisch zu sprechen. Die "Sprichst du deutsch?"-Frage variiert er außerdem zu "Sprichst du arabisch?" (nein). Andere Fragen, auch die die Lanz gar nicht stellt, wie nach einer Beziehung, will der Schauspieler aber nicht beantworten.
Am Ende bekommt die Show, die harmlos vor sich hinjodelt, noch einen kleinen Zungen-Skandal. Allerdings nicht durch Miley Cyrus, die ihren Auftritt routiniert absolviert und sehr nett ein paar Fragen auf dem Sofa beantwortet.
"Ich bin ein bisschen baff"
Nein, ein Pärchen, das wohl etwas zu viel Zeit miteinander verbringt (sie fährt neben ihm Fahrrad, wenn er joggen geht), tauscht per Zungenkuss Zahnpasta aus, die er erschmecken muss. Als man Zungen und Zahnpasta beim intensiven Kontakt zugucken kann, bekommt die Sendung dann noch ihren richtig großen "Schwiegertochter gesucht"-Moment. Wenigstens verzichtet die Regie hier auf eine Zeitlupe von der Wette.
Das kann Miley, die auch recht züchtig im Erdbeeren-Outfit auftritt, natürlich gar nicht mehr toppen. Lanz hat nach ihrem Skandalauftritt bei den MTV Video Music Awards wohl erwartet, dass sie nackt über ihn herfallen würde und äußert mehrfach sein Erstaunen über ihr "bodenständiges" Auftreten: "Ich bin ein bisschen baff." So baff, dass es dann doch noch kurz mit ihm und den schlechten Witzen durchgeht und er von Erdbeeren und "Tutti Frutti" redet.
An dieser Stelle wäre dann eigentlich ein natürliches Ende einer ganz netten Sendung erreicht. Doch da wartet noch eine Wette und eine Barbara Meier, deren Einladung sich nicht wirklich erschließt. So kommt es dann auch zu einer ganz Lanz-untypischen Überziehung der Sendung - Diana Amft und Armin Rohde müssen nämlich am Ende auch nochmal jodeln. Nein, singen, also irgendwas in Dirndl und Lederhose auf jeden Fall. Übrigens: Ja, die beiden sprechen deutsch.